Morgan 4/4 im Test: Mit diesem Auto kann man heizen (2024)

Morgan 4/4 im Test: Mit diesem Auto kann man heizen (1)

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80 Jahre Brit-Roadster Morgan 4/4: Brennholz

Foto: Fabian Hoberg

80 Jahre Morgan 4/4Mit diesem Auto kann man heizen

Null Komfort, null Assistenzsysteme, ein schlapper Motor und ein Chassis aus Holz: Der Morgan 4/4 ist der Gegenentwurf eines modernen Sportwagens. Seit 80 Jahren wird er produziert - und begeistert noch immer.

VonFabian Hoberg

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Über einen Bugatti Chiron mit 1500 PS können Morgan-Fahrer nur müde lächeln. Und auch ein Porsche 918 Spyder mit 893 PS, ein Auto, das die Mehrzahl aller Sportwagenfans als absoluten Traumwagen bezeichnen würden, findet bei ihnen keine Anerkennung: zu stark, zu schwer, zu komfortabel.

"Moggie-Fahrer", wie sich Morgan-Motorbesitzer selbst nennen, definieren Sportwagen anders. Für sie müssen Autos möglichst leicht, puristisch und offen sein. Sie brauchen keine Flunder aus Hightechmaterialien, aus Aluminium oder Carbon, sie bevorzugen gewöhnlichen Baustahl und Holz als Konstruktionsbasis. Auf Komfort verzichten sie ebenso freiwillig wie auf Assistenzsysteme.

Morgan-Modelle sind Relikt einer Ära, in der Fahrer oder Fahrerin, Ledermütze auf dem Kopf und in einen dicken Mantel gehüllt, selbst bei Regen offen fuhren. Archaischer als der Morgan 4/4 fährt kein anderes Auto. Der Innenraum ist eng, die Sitze ohne Lehnenverstellung bieten wenig Halt, und schon ab Fußgängertempo fegt der Wind durch die Kabine wie ein Herbststurm entlang der schottischen Küste. Doch genau das lieben die Fans der Marke.

Einen Rekord hat der 4/4 schon mal sicher

Der britische Hersteller Morgan widersetzt sich beim Roadster 4/4 mit einer an Sturheit grenzenden Konsequenz den Trends der Automobiltechnik. Beim Rahmen setzt Morgan auf Holz statt auf Metall - als einziger Autohersteller weltweit. Auch der Unterboden steht auf einer organischen Basis: Sechs schichtverleimte Holzplatten sind mit dem Leiterrahmen verschraubt.

So wird der 4/4 schon seit 80 Jahren gebaut. Damit hält er den Rekord als das am längsten durchgehend produzierte Modell der Automobilgeschichte. Noch heute werden die Autos von Hand zusammengesetzt. Handwerkskunst ist das, was zählt. Rund 200 Mitarbeiter dengeln und schrauben die Fahrzeuge zusammen, viele Teile wie Motor, Getriebe, Hinterachse, Chassis, Kotflügel und Elektrik werden angeliefert. So wie früher.

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Die Wurzeln dieser illustren Firma reichen weit zurück. Zwei Jahre nach der Gründung konstruierte H.F.S. (Henry Frederick Stanley) Morgan 1911 sein erstes motorisiertes Dreirad in Malvern Link, Worcestershire, 100 Meilen nordwestlich von London. Die Nachfrage stieg und der Brite konzipierte 1936 ein Fahrzeug mit mehr Platz und Komfort. Sein erstes Auto hatte vier Räder und vier Zylinder. Deshalb der Name "4/4".

Wenig Leistung, wenig Gewicht

Ein Leiterrahmen und ein darauf stehendes Holzgerippe bildeten das Rückgrat des Wagens. Dünnes Blech wurde einfach drübergezogen. Beim Holz setzte Morgan auf trockene und gut abgehangene Esche - ein hartes, aber nicht zu steifes Material. Die Motoren stammten, je nach Baujahr, von Coventry-Climax, Standard-Special, Triumph und Ford, leisteten anfangs 38 PS, später bis zu 100 PS - ausreichend bei einem Leergewicht von lediglich 694 Kilogramm.

1953 änderte die Firma die Front des 4/4. Bis heute hat sie Bestand, mit leichten Modifikationen. Der Kühler wurde breiter, steht schräger. Die Armaturen sehen immer noch klassisch aus, aber die Verarbeitung wirkt besser. Gab es früher Probleme mit faulendem Holz bei den Rahmen - das über das Holz gezogene Blech ließ keine Feuchtigkeit entweichen - bietet Morgan seit 1986 eine wirksame Imprägnierung an. Früher lackierten die Briten die Karosserie auch erst nach der Endmontage, einige Ecken blieben deshalb blank und waren entsprechend anfällig für Rost. Einen wirksamen Korrosionsschutz gab es früher nur gegen Aufpreis.

Exemplare aus den frühen Baujahren benötigen deswegen noch heute viel Pflege. "Auch wenn der Name identisch ist, die Modelle sich sehr ähnlich sehen, kann man sie eigentlich nicht miteinander vergleichen", sagt Ulrich Ortmann. Er fährt seit acht Jahren Morgan und besitzt den ältesten noch fahrbereiten 4/4. Das Auto von 1936 fuhr als 22. Fahrzeug in Malvern Link aus der Halle. Ortmann ist erst der fünfte Besitzer, hat alle Papiere zu dem Auto, hegt und pflegt es.

Sechs Monate Warten auf ein neues Auto

Frisch poliert und sauber steht der 4/4 in der trockenen Halle, im Winter wird er natürlich nicht bewegt: Feuchtigkeit und Streusalz ist des Holzes Tod. Warum ausgerechnet Morgan? "Ich mag das nicht immer Perfekte an den Autos", sagt der 66-Jährige. Jeder Morgan-Fahrer habe stets ein paar Handtücher im Kofferraum, falls es regnen sollte - sonst würden die Füße schnell nass. Ortmann besitzt mittlerweile vier Fahrzeuge des Herstellers, auch neuere.

Moderne Moggies gibt es heute gegen Aufpreis auch mit einer Alukarosserie. Als Motor im 4/4 dient ein 1,6-Liter-Vierzylinder mit 110 PS und Katalysator von Ford. Die Getriebe lassen sich besser schalten und die Federung schluckt nun wenigstens kleine Wellen, arbeitet aber dennoch bockhart. Ein wenig Leichtigkeit ging in den vergangenen Jahrzehnten verloren: Der 4/4 legte um satte 100 Kilogramm zu. Nach wie vor benötigen Fahrer die Grundkenntnisse eines Entfesselungskünstlers, um hinter dem Lenkrad Platz zu finden.

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Die wenigsten scheint das zu stören. Bis zu sechs Monate warten Kunden auf ein bestelltes Auto. Überlebensfähig ist die kleine Firma nur, weil sie sich eine Nische gesucht hat: Exklusive Sportwagen ab rund 42.000 Euro in kleiner Stückzahl, die in Handarbeit aus hochwertigen Materialien gefertigt werden. Im Hintergrund steht eine Unternehmerfamilie, die auf langfristige Erfolge statt auf schnelle Gewinne setzt.

Der Enkel des Firmengründers hält knapp 30 Prozent der Anteile. Aus der Fabrik rollen jährlich nur rund 1000 Fahrzeuge. Seit Firmengründung baute Morgan bisher mehr als 75.000 Fahrzeuge - Porsche verkauft vergangenes Jahr allein vom Sportwagen 911 31.500 Fahrzeuge.

Auch wenn die Briten Nischenanbieter mit einer schrulligen Tradition bleiben wollen, forschen sie an modernen Antrieben. Sie gehen aber wieder einen Schritt zurück, bieten seit fünf Jahren wieder das Fahrzeug an, mit dem Morgan vor 105 Jahren begann - dem Dreiradmodell "3 Wheeler". Nun auch mit Elektroantrieb.

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Author: Jonah Leffler

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